Wagenlenker
Wenn du kühn im Wagen stehst und vier neue Pferde wild unordentlich sich an deinen Zügeln bäumen, du ihre Kraft lenkst, den austretenden herbei, den aufbäumenden hinabpeitschest, und jagst und lenkst und wendest, peitschest, hältst und wieder ausjagst, bis alle sechzehn Füße in einem Tackt ans Ziel tragen – das ist Meisterschaft.
Der Satz findet sich in einem Brief des 23-jährigen Goethe an Herder. Auch Goethe mochte dieses eindringliche Bild von der Beherrschung und Steuerung der wilden Pferde der eigenen Seele. Es klingt hier drastisch, fast martialisch. Aber insbesondere in seinen jungen Jahren hat Goethe es manchmal unter großem seelischen Schmerz durchlitten und wusste, wie schwer dieser Kampf sein kann. Parallelen drängen sich auf zu der allegorischen Deutung des Kriegs Arjunas gegen seine eigenen Verwandten in dem indischen Nationalepos Mahabharata oder der Tötung der Freier durch den heimgekehrten Odysseus, der einen letzten fürchterlichen Kampf bestehen muss, um sein Eigenstes, seine Frau und Familie, zurückzuerobern und wieder „Herr im eigenen Haus zu werden“.
Goethe verwendet dieses Bild gleich mehrmals in seinem literarischen Werk. So lauten die Schlussworte von „Dichtung und Wahrheit“:
„Kind, Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch, und uns bleibt nichts, als mutig gefasst, die Zügel festzuhalten, und bald rechts, bald links, vom Steine hier, vom Sturze da die Räder abzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.“
Wer sich selbst erkennen und leben will, der braucht tiefe, aufrichtige Blicke in die eigene Seele und starke Selbststeuerungskräfte: Mut, Entschlossenheit, Selbstvertrauen und Beharrlichkeit.
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Nutzen Sie die täglichen "Worte der Weisheit", um fünf Minuten Atem und Geist zu beruhigen, still zu werden und sich auf das Wesentliche Ihres Lebens zu konzentrieren.