Wagenlenker
Da kommt es ihr (der Denkkraft) zu, nunmehr wie ein Wagenlenker das Gespann der zusammen aufgewachsenen Rosse, der Begierde und des Gefühls, zu regieren und zu beherrschen.
Der Stoiker Poseidonios nimmt hier ein altes Bild auf, das wir zuerst bei dem griechischen Dichter Pindar und dann in philosophischer Bedeutung bei Platon finden. Danach entspricht es der Weisheit, dass die Vernunft, wie ein Wagenlenker seine Rosse, die irrationalen Seelenteile, Gefühle, Begierden und Triebe zügelt und lenkt, um sie davon abzuhalten, uns zu schädigen. Denn wenn wir jedem inneren Impuls ungeprüft folgen, werden wir leiden. Wenn wir dagegen unsere Seelenkräfte beherrscht steuern, werden sie uns zu nachhaltiger Freude und zur Erfüllung unserer Anlagen führen, d.h. zu einem Leben, dass wir als sinnvoll und beglückend empfinden, weil wir ganz uns selbst und aus unserer eigensten Mitte heraus leben. Poseidonios fährt fort:
„Sie (Pferde, d. h. Begierde und Gefühle) sollen weder zu stark noch zu schwach, weder zu langsam noch zu stürmisch, nicht unfolgsam, zügellos und übermütig, sondern willig werden, in allem dem vernünftigen Denken zu folgen und zu gehorchen. Die Erziehung hierzu und die sittliche Tüchtigkeit beruht auf der Erkenntnis der Natur der Dinge wie die des Wagenlenkers auf der Theorie des Wagenlenkens. Denn in den unvernünftigen Kräften der Seele kann kein Wissen entstehen, sowenig als in den Rossen, sondern diesen wird die Ihnen eigene Tüchtigkeit durch eine Art unbewusster Gewöhnung zuteil, dem Wagenlenker dagegen durch vernünftige Belehrung.“
Dass wir die irrationalen Seelenteile nur durch „eine Art unbewusster Gewöhnung“ steuern und lenken können besagt, dass wir die richtige Einsicht nur nach einem Prozess des kontinuierlichen Einübens auch umsetzen und leben. Nur wenn wir eine Einsicht lange genug eingeübt haben, wird sie verinnerlicht und zu einer festen Gewohnheit und Haltung, zu einem Denk- und Handlungsmuster. So werden wir in jedem Moment danach handeln, ohne dass wir darüber noch einmal nachdenken müssen. Die Einsicht ist in „Fleisch und Blut“ übergegangen. Das verdanken wir dem Wagenlenker in uns, der Vernunft und Weisheit.
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Nutzen Sie die täglichen "Worte der Weisheit", um fünf Minuten Atem und Geist zu beruhigen, still zu werden und sich auf das Wesentliche Ihres Lebens zu konzentrieren.